Warum ganzheitliches Lernen so wichtig ist
Zum Begriff der „Ganzheitlichkeit“
Der Begriff „ganzheitlich“ ist ein bisschen zu einem Modewort geworden, dem oft die eigentliche Bedeutung abhandengekommen ist. Was aber ist ursprünglich gemeint mit diesem Begriff, der nicht nur in der Pädagogik, sondern auch in der alternativen Medizin eine große Rolle spielt?
Ganzheitlich meint, das Ganze im Blick zu haben und mehr noch, sich selbst als Teil des Ganzen zu sehen und zu begreifen. Es handelt sich also um einen systemischen Begriff. Das Ganze entspricht dem System, die einzelnen Menschen oder Objekte sind Teile darin, die eng miteinander in Verbindung stehen.
„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. Dieser bekannte Spruch bringt sehr gut auf den Punkt, was mit Ganzheit gemeint ist. Es ist nicht nur die Anhäufung oder Summierung vieler Menschen oder Dinge, sondern eine Art neuer Organismus, der durch den Zusammenschluss und die Interaktion vieler einzelner Teile entstehen kann.
Zum Beispiel in einer Gruppe erleben wir oft das vielzitierte Phänomen der „Gruppendynamik“. Ein paar Leute kommen regelmäßig zusammen, sagen wir zum Yoga, und plötzlich entsteht ein kollektiver Geist, der die Teilnehmer beflügelt und aus ihnen das Beste herausholt. Die Ganzheit der Gruppe ist also weit mehr als die Summe seiner Teilnehmer. Sie ist zu einem funktionalen System geworden, das einiges in Bewegung setzen kann, wenn es nur zielorientiert ausgerichtet ist.
In Hinblick auf den Einzelnen wird der Begriff „ganzheitlich“ im Bezug auf den Kosmos und die Natur verstanden. Als Teil der „Schöpfung“, wie die Christen sagen, ist der Mensch nur eingebettet in die Natur und mit Blick auf seine eigene menschliche Natur zu begreifen. Ganzheit des Menschen meint auch, die Einheit von Körper, Seele und Geist zu bewahren oder wiederherzustellen.
Alternative Heilmethoden etwa sind davon überzeugt, dass jeder Mensch eine vollkommene Einheit von Physis, Psyche und Intellekt darstellt. Wenn alle drei Bereiche im Austausch und im Gleichgewicht sind, ist der Mensch gesund. Erst das Miteinander von Körperwahrnehmungen, Gefühlen und Gedanken macht den Menschen aus.
In der Meditation wird genau dieser Zustand angestrebt, in dem Körper und Geist vollkommen im Einklang sind. Das gelingt dadurch, dass sich der Geist ganz auf die Atmung konzentriert, ohne sie zu beeinflussen. So kann innere Ruhe und nach Meinung der Wissenschaft, auch Heilung geschehen.
Ganzheitliches Lernen
Was bedeutet vor diesem Hintergrund also der Begriff „Ganzheitliches Lernen?“
Ganzheitliches Lernen berücksichtigt, dass bei einem kognitiven Prozess, etwa dem Lernen einer fremden Sprache, immer auch Emotionen mit im Spiel sind.
Ob die Vokabeln gut oder gar nicht im Gedächtnis bleiben, hängt immer auch von emotionalen Bezügen ab. Möchte ich ein paar Worte Tibetisch für meinen Traumurlaub lernen? Oder muss ich für einen ungeliebten Lateinlehrer unregelmäßige Verben pauken, die für wirklich nichts auf der Welt von Nutzen sind?
Lernen ohne Motivation gibt es nicht. In vergangenen Zeiten war das leider oft die Motivation, einer angedrohten Bestrafung entgehen zu wollen. Natürlich lehnt die Montessori-Pädagogik Bestrafung in jeder Form vollkommen ab. Belohnung für einen Lernerfolg wird übrigens genauso wenig favorisiert. Jedes Eingreifen in den selbsttätigen Lernprozess des Kindes wäre fehl am Platz. Lernen soll Selbstzweck sein, der Erfolg selbst ist die Belohnung.
Ganzheitliches Lernen bedeutet, das Kind auf allen Kanälen beim Lernen zu unterstützen. Bei den kleinen Kindern ist das vor allem die körperliche, sinnliche Ebene, aber auch Schulkinder brauchen diese Ebene noch, um Lerninhalte mit angenehmen Körperempfindungen zu verknüpfen und dadurch besser im Gehirn zu verankern.
Jedes einzelne Montessori-Material hat diesen wesentlichen haptischen Charakter. Die Kinder sehen und fühlen das Holz, den Stoff, die Perlen.
Der ganze Mensch ist angesprochen.
Ganzheitliches Lernen mit Montessori
Besonders gut umgesetzt ist der Gedanke des Ganzheitlichen Lernen bei diesem Montessori-Material:
Geheimnisvoller Beutel mit Geometrischen FormenZum Material
Das Kind schließt die Augen, um sich ganz auf den Tastsinn konzentrieren zu können. Dann schiebt es eine Hand in das Säckchen und versucht, verschiedene geometrische Formen zu ertasten. Im Gehirn werden die haptischen Eindrücke mit dem geometrischen Vorwissen des Kindes verknüpft. Auch die Emotionen sind mit im Spiel. Wenn das Kind eine Form erkennt und etwa eine Kugel richtig benennt, freut es sich über seinen Erfolg.
Ganzheitlich Lernen bedeutet aber auch, dem Kind seinen Platz im gesamten Kosmos zu veranschaulichen. Dazu gehört Wissen über die Natur, also Biologie und Geologie, aber auch das astronomische Wissen über unser Sonnensystem und das gesamte Universum.
Ganzheitlich bedeutet auch, nichts für selbstverständlich zu nehmen, sondern immer wieder über unseren wunderbar verwobenen Kosmos zu staunen und mit Verantwortung und Freude unsere Rolle darin zu spielen.