Normalisation – Hilf mir, es selbst zu tun
Der göttliche Schöpfungsplan war für Maria Montessori eine Struktur, die allem zugrunde lag. So begriff sie auch das Kind nicht nur als einen Teil davon – die Ärztin und Anthropologin ging davon aus, dass jedes Kind einen Entwicklungsplan in sich trägt, den es nur noch entfalten muss. Die Erziehungsmethoden, die Montessori um die Jahrhundertwende vorfand und auch bis zu ihrem Tod 1952 vorfinden sollte, sah sie nicht dazu geeignet, so dass sie 1907 ein eigenes Kinderhaus gründete. Kinder, so die Reformpädagogin, sollten sich frei und kreativ entfalten können. Dies ist nach ihrer Methode jedoch nur möglich auf der Basis des Zusammenspiels von körperlicher Bewegung und sinnlichen Erfahrungen. Der Prozess, unter dem sich die Entwicklung eines Menschen heraus kristallisiert, nannte Montessori die „Normalisation“. Anhand ihrer Beobachtungen geistig behinderter Kinder konnte sie nachweisen, dass diese weit mehr Fertigkeiten entwickeln konnten als angenommen, sofern sie entsprechend gefördert wurden – unter anderem durch Zugang zu entsprechenden Lehrmaterialien. Das Bahn brechende an dieser Methode war, dass zunächst den Lehrern eine neue Position zugewiesen wurde. So geben sie in Montessori Schulen nicht das Wissen vor, sondern schaffen den Raum, in dem jedes Kind die Erfahrungen machen kann, die seinen Neigungen entsprechen. Es versteht sich von selbst, dass hierbei die individuelle Entwicklung eines Kindes Vorrang vor starren Lehrplänen haben muss. Auch wird auf diese Weise berücksichtigt, dass Kinder als Persönlichkeiten wahrgenommen werden, die sich Wissen auf unterschiedliche Weise aneignen. Damit übernimmt fas Kind unter fachlicher Anleitung eine führende Rolle, denn es bestimmt selbst wie es sich einem Thema nähert. Maria Montessori geht davon aus, dass dem Kind der Drang nach Wissen inne wohnt. Die Beobachtung eines dreijährigen Mädchens, das sich von seinem konzentrierten Spiel mit Bauklötzchen nicht ablenken ließ, veranlasste Montessori dazu, sich mit dieser „Polarisation der Aufmerksamkeit“ zu befassen. Kinder, so schloss sie, vermögen es, sich aus der Fülle von Wahrnehmungen in ihrer Umwelt auf bestimmte Bereiche zu konzentrieren. Sie richten ihren Fokus ganz auf diese Aufgabe. Jeder kennt die Gabe von Kindern, sich in ihr Spiel so tief zu versenken, dass sie nicht einmal auf Ansprache reagieren. Diese Fähigkeit nutzt die Montessori Pädagogik als Zugang zum Lernen – beispielsweise die Freude an ordnenden Tätigkeiten. Das dreijährige Mädchen ordnete Holzzylinder in einen Holzkasten ein und beendete diese Aufgabe erst, als sie erfüllt war. Montessori betont bei ihrer Beschreibung dieser Szene vor allem, dass das Kind 44-mal ansetzte um die richtige Ordnung zu finden. Dies zeigte ihr, dass Kinder aus eigenem Antrieb dazu in der Lage sind, sich selbst Aufgaben zu stellen und auszuführen. Mehr noch – diese Art des Lernens löst Glücksgefühle aus. Montessori dazu: „…als sie endlich aufhörte, tat sie das ganz unabhängig von den Ablenkungen um sie her, die sie hätten stören können, und blickte glücklich umher, als ob sie von einem erquickenden Schlaf erwacht wäre.“ (Das Mädchen wurde als schwachsinnig bezeichnet – Montessori wies jedoch darauf hin, dass es sich eher um Mangel an Förderung handle.) Schule und Lehrer geben, beispielsweise durch die Auswahl des Lehrmaterials, jedoch Ordnungsstrukturen vor. Dies, so Montessori, diene dem Kind als Orientierung. Ziel der Normalisation ist die Selbstermächtigung: Das Kind ist nicht abhängig, sondern befasst sich eigenständig mit seiner Lebensumwelt. Das Kind wird daher in der Montessori Pädagogik in einen aktiven Prozess des Lernens entlassen anstatt beschult zu werden.
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Inhaltsverzeichnis:
1) Maria Montessori
2) Montessori Kinderhaus
3) Freiarbeit
4) Rolle des Lehrers
5) Montessori Pädagogik in Deutschland
6) Montessori in aller Welt
7) Normalisation
8) Sensible Phasen
9) Altersstufen der Sensiblen Phasen
10) Sensualistische Erkenntnistheorie