Weil wir unsere Kinder lieben, wollen wir ihnen am liebsten alles Leidvolle ersparen. Doch keine Kindheit verläuft ohne Stolpersteine. Allein die Dinge, die das Kind zum ersten Mal macht: Der erste Zahnarztbesuch oder die erste Nacht in einem fremden Bett können angstauslösend sein. Als gute Pädagogen werden wir versuchen, unserem Kind zu erklären, dass die gefürchtete Situation notwendig und eigentlich doch gar nicht so schlimm ist. Das ist allerdings nur unsere erwachsene Perspektive. Und die sollten wir auf keinen Fall unseren Kindern überstülpen. Für ein Kind mag eine für uns Erwachsene harmlos erscheinende Situation große Angst auslösen. Folgende Schritte in der Begleitung des Kindes helfen ihm wirklich, mit seinen Ängsten gut umzugehen:
Zunächst müssen wir die Angst eines Kindes wahrnehmen und erkennen. Eine festgefrorene Mimik, Nägel beißen oder eine angespannte Körperhaltung deuten beispielsweise auf das Gefühl der Angst hin. Eine Hand auf die Schulter und freundliche Worte können genügen, damit sich das Kind von seiner Angst nicht überwältigen lässt.
Bevor sie beginnen, ihr Kind mit Beschwichtigungen zu trösten, versuchen sie erstmal, es wirklich zu verstehen. Nehmen sie sich Zeit für ihr Kind. Zuhören ist jetzt viel wichtiger als gute Ratschläge geben.
K Kinder reagieren ganz verschieden auf herausfordernden Situationen: Die einen mutig und angriffslustig, die anderen eher ängstlich. Es gibt keine “normale” Reaktion, sowie es keine “überzogene” Reaktion gibt.
Jedes Kind hat einen anderen Erfahrungshorizont, andere Gene und andere Skills, mit einer Schwierigkeit umzugehen. Helfen können wir einem Kind nur, wenn wir es da abholen, wo es steht und seine Ängste nicht als Fantasien abtun.
Ihr Kind lernt von ihnen nicht nur, eine angstbehaftete Situation zu managen, sondern vor allem ihren Umgang mit der Angst selbst. Lenken wir das Kind sofort ab, zeigen wir ihm nur, dass Angst etwas Negatives ist, was man wegschieben soll. In Wirklichkeit ist das Gefühl der Angst aber lebensnotwendig: Wo eine Gefahr droht, empfinde ich Angst. Die Angst hilft mir, meine Reserven zu mobilisieren und mich in Sicherheit zu bringen.
Wenn Kinder aber völlig unbegründet Angst haben? Das gibt es nicht, denn jedes Kind hat einen subjektiven Grund für seine Angst, auch wenn wir den nicht sofort erkennen. Träume, Fantasien oder Realität - die Angst ist diesselbe und in jedem Fall ernst zunehmen. Werden die Ängste eines Kindes im Alltag so beherrschend, dass es stark darunter leidet, ist es allerdings ratsam, psychologische Hilfe zuzuziehen.
Welches Kind ist mutig: Das Kind, dass keine Angst kennt oder das Kind, dass seine Angst besiegt? Nur ein Kind, das gelernt hat, seiner Angst ins Auge zu sehen, kann sie eines Tages überwinden. Nur wer die Angst kennt, kennt auch den Mut, sie zu überwinden. An der Angst wachsen wir. Wenn wir unsere Kinder zu sehr behüten, hindern wir sie am Wachsen. Trauen wir ihnen doch etwas mehr Mut und Selbstwirksamkeit zu!
Bitte versuchen Sie niemals, ein Kind von seiner Angst abzulenken, indem Sie es mit Süßigkeiten belohnen oder seine Angst einfach übergehen. Ihr Kind muss unbedingt den guten Umgang mit der Angst lernen. Wenn ihr Kind sich nicht ins Wasser traut, trösten sie es nicht, indem sie es an seine guten Kletterkünste erinnern. Jetzt, in dieser Situation geht es ums Schwimmen. Wenn sie ihr Kind ins Wasser drängen, verpasst es seinen eigenen Impuls. Lassen sie ihm Raum, sich mit der Aufgabe anzufreunden. Dann lernt ihr Kind vermutlich nicht nur bald Schwimmen, sondern auch seine Angst zu überwinden.
Autorin: Marie Laschitz Bildnachweis: inspiring team