Der Begriff "Empowerment" geht auf den amerikanischen Sozialwissenschaftler Julian Rappaport zurück und bezeichnet einen ressourcenorientierten Handlungsansatz in der Sozialen Arbeit, der Menschen dabei unterstützen möchte, ihr Gefühl von Macht- und Einflusslosigkeit zu überwinden und zu einem selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Leben zu gelangen.
Ein Sozialarbeiter leistet dabei eine Arbeit, die sich im optimalen Fall selbst überflüssig macht, nämlich wenn der Klient gelernt hat, aus eigener Kraft und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln sein Leben positiv zu gestalten. Empowerment geht davon aus, dass in jedem Menschen zwei Seiten zu finden sind, die hilflose, unsichere und schwache Seite genauso wie die kompetente, selbstsichere und starke Seite. Lediglich die Ausprägung der beiden Seiten ist unterschiedlich stark. Durch eine gezielte Wahrnehmung und Ermutigung kann bei jedem Menschen die positive Seite gestärkt werden. Wie ein Gärtner seine Pflanzen sät, gießt und pflegt, können wir auch im Menschen die fruchtbaren und wertvollen Samen unserer Seele nähren und pflegen, damit sie gedeihen.
In der Pädagogik ist es in jedem Fall erfolgversprechender, die positiven Eigenschaften eines Kindes zu unterstützen und zum Vorschein zu bringen, als seine Defizite wahrzunehmen und zu bemängeln. Dabei ist es wichtig, nicht grundlos zu loben, sondern ehrlich und einfühlsam die vorhandenen Ressourcen zu stärken. Nur dann kann das Kind zu einer realistischen, positiv geprägten Selbstwahrnehmung gelangen. Dafür muss ihm aber auch der Freiraum zugestanden werden, selbst zu entscheiden, selbst auszuprobieren und natürlich auch einmal selbst zu scheitern. Wenn bei jeder Kleinigkeit überschwänglich gelobt wird, verliert das Lob bald seine Wirkung, wenn immer Alles auf Anhieb gelingt, bleibt beim Erfolg irgendwann die Freude aus.
Empowerment heißt auch, es dem Kind zuzutrauen, mit einen Misserfolg adäquat umzugehen und daraus wichtige Erfahrungen zu ziehen. Kinder wollen sich erproben, sie wollen beweisen, was sie können, sie wollen es selber hinkriegen. Sie dabei zu unterstützen ist die Aufgabe, nicht ihnen Dinge abzunehmen, sie sie selbst machen können. Der wohl bekannteste Satz von Maria Montessori, "hilf mir, es selbst zu tun" zielt genau in dieselbe Richtung wie der Empowerment-Ansatz. Der Ausspruch lautet weiter:
"Zeige mir, wie es geht.
Tu es nicht für mich.
Ich kann und will es allein tun.
Hab Geduld meine Wege zu begreifen.
Sie sind vielleicht länger, vielleicht brauche ich mehr Zeit,
weil ich mehrere Versuche machen will.
Mute mir Fehler und Anstrengung zu
denn daraus kann ich lernen."
Es brauchr zweifellos viel Geduld, sich auf das Tempo der Kinder einzulassen und ihnen Fehler zuzugestehen. Doch genau hier können die Kinder Wesentliches von uns Erwachsenen lernen. Schaffen wir es, dem Kind soviel Zeit und Raum zu lassen, wie es eben braucht oder führen wir dem Kind die Schattenseite der Erwachsenenwelt vor: ungeduldig, genervt und unfreundlich sein? Das Kind absorbiert natürlich auch diese unguten Eigenschaften von uns, die wir ihm doch gar nicht vermitteln wollten. Und es wird durch den gereizten Erwachsenen völlig in seinem eigenen Tun irritiert. Je mehr Negativität und Hektik auf das Kind einwirken, umso weniger kann es seine Aufgabe schnell und richtig erledigen.
Aber auch Erwachsene dürfen Fehler machen. Reißt uns mal wieder der Geduldsfaden, ist es gut, wenn wir zunächst einfach nur wahrnehmen und akzeptieren, dass wir ungeduldig sind. Wenn wir uns für die eigene Ungeduld auch noch innerlich ausschimpfen, reiten wir uns nur noch tiefer in die negativen Emotionen hinein. Statt dessen können wir versuchen, uns selbst diese Ungeduld einzugestehen und verständnisvoll damit umzugehen. Vielleicht können wir sogar dem Kind gegenüber eine Bemerkung machen, die wieder alles ins rechte Licht rückt, z. B. " Es tut mir leid, dass ich dich so gehetzt habe. Ich möchte nur, dass wir rechtzeitig zu Omas Geburtstag kommen". So lernt das Kind, dass Fehler passieren dürfen und auch wieder gut gemacht werden können.
Es ist sehr wichtig, wie wir als Pädagogen, Therapeuten und Eltern mit unseren eigenen Schattenseiten umgehen. Gelingt es uns, sie zu integrieren, werden wir auch eine neue Intensität im Kontakt mit den Kindern erleben.
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