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Montessori Pädagogik

Ordnung als pädagogisches Prinzip bei Montessori

21 Apr, 2021

Ordnung als pädagogisches Prinzip bei Montessori


KINDER LIEBEN ORDNUNG!


Klingt seltsam? Doch genau diese Auffassung vertrat Maria Montessori: Die von ihr begründete Pädagogik fußt auf verschiedenen Ordnungsprinzipien. Dass es richtig ist, Kinder nicht als „kleine Chaoten“ zu sehen, sondern ihnen strukturiertes Arbeiten zuzutrauen, beweist erfolgreicher Montessori-Unterricht seit mehr als 100 Jahren.


Es ist Freiarbeit. Ina hat gerade lange mit ihrer besten Freundin an einem gemeinsamen Bild gemalt. Jetzt möchte sie sich wieder allein beschäftigen. Sie nimmt aus dem Teppichständer einen hellblauen Teppich, rollt ihn aus. Dann holt sie sich die gelbe Perlenkette – es sind die Vierer –, dazu das gelbe Perlenquadrat und setzt sich damit auf den Teppich. Für eine Dreiviertelstunde wird Ina alles um sich herum vergessen. Sie wird sich ganz auf die Perlen konzentrieren, die so hübsch aussehen und so schön sauber und glatt sind. Sie wird sie betasten und damit Muster auf den blauen Teppich legen, die einzelnen Perlen zählen, unterschiedlich kombinieren. Begreifen.


Wir lassen sie dabei allein und fragen uns: Wie ist es eigentlich möglich, dass Ina sich so schnell und intensiv auf ein neues Lernthema einlässt? Und warum ist das Prinzip der Ordnung dabei so grundlegend?
Zunächst ist die sogenannte vorbereitete Umgebung in den Montessori-Pädagogik zentral: Das Klassenzimmer wird nach einer gewissen Ordnung eingerichtet, wodurch sowohl Rückzugsorte entstehen als auch Plätze, an denen Interaktion zwischen den Kindern begünstigt wird. Alle Möbel sind nach kindlichen Proportionen gestaltet. Regale säumen das Klassenzimmer, und dort haben Lernmaterialien ihren festen Platz.


„… als ob für die Kräfte, die in ihrer Seele ruhen, ein Weg frei geworden wäre …“
Maria Montessori


Die Freiarbeit gibt einen großzügigen zeitlichen Rahmen vor. Sie findet täglich mindestens zwei Stunden lang statt, und jedes Tun ist währenddessen grundsätzlich erlaubt und gewollt. Das Kind kann sich über einen ausgedehnten Zeitraum einer großen selbstgewählten Aufgabe widmen, entweder alleine oder mit einem Partner oder einer Partnerin zusammen.
Auch ein fester Arbeitszyklus wird einmal gelernt und dann beibehalten: Auf ordentliche Vorbereitung (Arbeitsplatz und Material) folgt eine konzentrierte Phase des Tuns, am Ende das Aufräumen.
Ina hat mit ihren sechs Jahren bereits feste Rahmenbedingungen fürs Lernen verinnerlicht. Die immergleiche Anordnung und Überschaubarkeit der Dinge im Raum bieten ihr Sicherheit. Um es mit Maria Montessori zu sagen:

„Um die Außenwelt kennenzulernen und sich in ihr zurechtzufinden, bedarf das Kind einer Ordnung, die einen Teil seines Lebens aus-macht und die es verteidigt, wo es nur kann. Es liebt die Dinge seiner Umgebung immer auf dem gleichen Platz zu sehen und ist selbst bemüht, diese Ordnung, wenn sie einmal gestört ist, wiederherzustellen.“

                                                                                                                Maria Montessori


Innerhalb dieser geliebten Strukturen kann Ina sich nach Lust und Laune für einen Lerninhalt entscheiden. Mittels dieser Gestaltungsfreiheit kreiert sie ein höchst persönliches, bedeutsames Erlebnis. Damit sind die Voraussetzungen für höchste Fokussierung perfekt. Heute nennt man ihn „Flow“, diesen Zustand tiefer Konzentration und des Aufgehens in ei-ner Tätigkeit. Maria Montessori formulierte schon 1922 bei einem Vortrag in Brüssel:

„Hier liegt offenbar der Schlüssel der ganzen Pädagogik: diese kostbaren Momente der Konzentration zu erkennen.“


Für Ina ist die Zeit mit den gelben Perlenreihen wirklich kostbar – denn sie verinnerlicht die Viererreihe spielerisch. Nicht nur hier und jetzt nimmt sie das Lernen als etwas Selbstverständliches, Schönes, Befriedigendes wahr. Ihre Fähigkeit zur geordneten Konzentration wird sie ihr Leben lang begleiten und bereichern.



Bildnachweis: Tetiana Lynnyk                                                                            Autorin: Veronika Weiss