Als Montessori-Pädagogin werde ich immer wieder gefragt, was eigentlich die Vorteile eines Kinderhauses sind, dem montessorische Äquivalent zum Regel-Kindergarten. Ich bin davon überzeugt, dass es gerade für Kinder von 3 bis 6 Jahren einen entscheidenden Unterschied macht, ob sie mit Montessori-Methoden in Berührung kommen oder nicht. Aber machen sie sich doch selbst ein Bild. Lesen sie im Folgenden 10 Argumente, mit denen das Kinderhaus punkten kann:
1. Ganzheitlicher Ansatz:
Im Kinderhaus werden nicht nur kognitive Fähigkeiten gefördert, sondern auch künstlerische Aktivitäten wie Malen und Musizieren sowie Bewegung und Sport in den Alltag integriert. Nicht zuletzt gibt es auch Übungen der Stille, die die Kinder beruhigen und regulieren. Ein kleines Juwel der Achtsamkeit ist zum Beispiel die Geschichte von Lea, die eine goldene Kugel findet. Die Kugel glänzt mitten in ihren Alltag hinein und ändert die Wahrnehmung und die Beziehungen der Kinder. Den einzelnen Kapiteln sind leicht umsetzbare Übungen beigefügt.
2. Freie Wahl der Aktivitäten:
Die Kinder können beispielsweise entscheiden, ob sie sich mit einem Montessori-Material beschäftigen möchten, ein Buch lesen oder an einer Gruppenaktivität teilnehmen wollen. So kommen sie mit ihren eigenen Bedürfnissen in Kontakt und lernen, Prioritäten zu setzen. Die Freiwilligkeit sorgt außerdem für eine angenehme und entspannte Atmosphäre.
3. Altersgemischte Gruppen:
Ältere Kinder können jüngeren Kindern beim Erlernen neuer Fähigkeiten helfen, sei es beim Anziehen der Schuhe oder beim Lösen eines Puzzles. Das funktioniert deshalb so gut, weil sich die größeren Kinder noch gut erinnern können, wie sie selbst noch etwas lernen mussten. Dadurch können sie sich besser einfühlen, gut erklären und sind den jüngeren Kindern gegenüber auch verständnisvoll und geduldig. So werden die Älteren pädagogisch geschult und in ihren Kompetenzen gestärkt. Die PädagogInnen dagegen werden entlastet und haben mehr Zeit für andere Aufgaben.
4. Individuelle Förderung:
Ein Kind, das z.B. Schwierigkeiten beim Zählen hat, erhält individuelle Unterstützung durch gezielte Übungen und Spiele, um seine mathematischen Fähigkeiten zu stärken. Ein anderes Kind erhält auf Grund seiner Legasthenie gezielte Unterstützung beim Lesenlernen. Die Kinder in einem Kinderhaus lernen, sich nicht untereinander zu vergleichen und zu messen, sondern jedem die Zeit zu lassen, die er eben braucht. Das fördert eine empathische und geduldige Grundhaltung, die für ein Klima der Menschlichkeit sorgt.
5. Respekt vor dem Kind:
Respekt ist in unserer Zeit zu einem abgenützten Schlagwort geworden. Dennoch ist es unglaublich wichtig, was damit gemeint ist: Die Achtung vor dem anderen, die Wertschätzung und die Akzeptanz. Wenn ein Kind zum Beispiel seine Meinung äußert, wird ihm zugehört und es wird ermutigt, seine Gedanken und Gefühle auszudrücken. Bei Montessori ist viel Raum fürs Anderssein. Ob Nation, sexuelle Orientierung oder Behinderung: Jeder und jede wird so akzeptiert, wie er oder sie ist, so lange dadurch nicht die Gemeinschaft gefährdet ist.
6. Naturverbundenheit:
Bei Montessori gibt es jede Menge kosmisches oder biologisches Material. Maria Montessori sah den Menschen eingebunden in ein sinnvolles Ganzes, in den Kosmos. Das schenkt den Kindern Geborgenheit und Zugehörigkeit. Sie haben die häufig die Möglichkeit, in einem nahegelegenen Waldstück zu spielen und die Natur zu erkunden, indem sie beispielsweise Insekten beobachten oder Blumen pflücken. Die Dastellung zeigt fünf Lebenszyklen als Puzzle, die Entwicklungen in Flora und Fauna aufzeigen und so die Kinder zum Staunen bringen.
7. Pädagogische Materialien:
Die Kinder haben Zugang zu Montessori-Materialien wie dem "Goldenen Perlenmaterial" zur Veranschaulichung von Mathematik oder dem "Sandpapierbuchstaben" zum Erlernen des Alphabets. Diese Materialien haben sich seit Generationen bewährt und holen die Kinder genau in ihrer momentanen Entwicklungsphase ab.
8. Betreuungszeiten:
Das Kinderhaus bietet eine verlängerte Betreuungszeit bis in den Nachmittag hinein, um Eltern bei ihrer Berufstätigkeit zu unterstützen.
9. Partizipation der Eltern:
Eltern können an regelmäßigen Treffen teilnehmen, um über die Entwicklung ihres Kindes zu sprechen und gemeinsam mit den ErzieherInnen Entscheidungen zu treffen. Auch werden die Eltern zu AGs und Förderkreisen eingeladen. Dadurch entsteht eine eigenverantwortliche Haltung. Die Kinder werden nicht einfach in der Einrichtung abgegeben, sondern die Zusammenarbeit von Eltern und Lehrers erzielt gute Ergebnisse.
10. Ganzheitliche Bildung:
Neben traditionellen Fächern wie Mathematik und Sprache werden den Kindern auch praktische Fähigkeiten wie Kochen oder Gartenarbeit vermittelt, um ihre ganzheitliche Entwicklung zu fördern. Ausflüge zu Bauernhöfen oder Kinderfarmen gehören zum Konzept.
Uns ist bewusst, dass der ein oder andere Punkt auch sehr gut im Regel-Kindergarten verwirklicht wird. Kindergärten haben inzwischen einige Elemente von Montessori übernommen, weil sie sich einfach bewährt haben. Dennoch sind Montessori-Ideen und -Methoden in ihrer Ganzheit und Gesamtheit oft am wirkungsvollsten. Ein Kinderhaus besitzt eben ein in sich stimmiges Konzept, das auch im pädagogischen Alltag Klarheit und Engagement besitzt. Die Kinder lernen dadurch leichter, zu wertvollen Mitgliedern in der Gesellschaft zu werden.
Autorin: Marie Laschitz Bildnachweis: Shutterstock/Monkey Business Images