Die Prinzipien des Montessori-Unterrichts entstammen einer ganz anderen Welt. Aber sind sie deshalb mittlerweile weltfremd? Funktioniert diese besondere Pädagogik im schnellen, digitalen Heute noch?
Maria Montessori hat ihre Grundsätze ab 1907 entwickelt – das ist mehr als ein Jahrhundert her. Unglaublich, was sich seitdem verändert hat: Wir haben technische Wunderwerke zur Verfügung, die die Welt in einem Maße verändert haben, wie es kaum vorstellbar ist. Das Internet stellt sämtliches Wissen in Sekundenschnelle zur Verfügung, wir treffen uns immer öfter nur digital, und auf Nachrichten von der anderen Seite der Welt kann innerhalb eines Wimpernschlags reagiert werden. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts sah das Leben noch anders aus, auf das Maria Montessori die Kinder vorbereiten wollte. Allerdings haben sich nicht alle Ansprüche an uns als Menschen verändert.
Denken wir mal an die frühen Übungen des täglichen Lebens: Sorgfältiges Händewaschen war nie wichtiger und lebensnäher als heute, mitten in einer Pandemie! Und kein Computer nimmt es uns ab, Dinge von A nach B zu tragen, etwas einzugießen oder eine Jacke zuzuknöpfen. Hier hält die Montessori-Methodik handfestes Training für konkrete Situationen bereit – noch heute mehr als nützlich für die Kleinen.
Was ist damit, dass die Kinder sich oft aussuchen dürfen, womit sie sich beschäftigen? Bilden sie sich dann nicht eintönig? Nein, zum einen achten die Erzieher:innen darauf, dass der Lehrplan eingehalten wird und geben wertvolle und motivierende Anstöße in weniger geliebte Richtungen. Zum anderen interessieren sich Kinder für … das Leben! Für sehr viele kleine Facetten des Lebens. Deshalb besteht hier keine Gefahr. Sie können im Gegenteil aus ihrem Alltag Anregungen fürs Lernen mitnehmen und diesen im Unterricht sofort folgen. Das geht nur bei Montessori.
Regeln und Konsequenzen kennt die Montessori-Pädagogik, auch wenn sie versucht, ohne Strafen auszukommen. Stattdessen lernen die Kinder, eigenverantwortlich zu handeln und mit den Folgen (soweit möglich) selbst zurecht zu kommen.
Bald wird das Lernmaterial immer abstrakter, und die Schülerinnen und Schüler versinken manchmal in ihrer ganz eigenen Welt und nehmen sonst nichts mehr wahr. Aber ist das schlecht? Nein, es wird immer als Tugend gelten, sich einer Sache intensiv widmen zu können – erst recht in einer immer anspruchsvolleren Leistungsgesellschaft. Es ist wichtig, dass wir es schaffen, uns den Ablenkungen des digitalisierten Lebens zu entziehen. Nicht nur, um gut zu arbeiten, sondern auch, um schöne zwischenmenschliche Beziehungen zu führen. Das Miteinander gelingt nur dann, wenn wir „ganz beim Gegenüber sind“, Mitgefühl und Wertschätzung für unsere Mitmenschen haben.
Der Montessori-Unterricht fördert genau das und vermittelt Fähigkeiten, die wichtiger sind als je zuvor. Deshalb ist Montessori nicht weltfremd, sondern ein Schlüssel zum Verständnis der Welt.
Bildnachweis: Shutterstock/ insta_photos Autorin: Veronika Weiss