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Kosmologie

Förderung der Wahrnehmung – wie man seine Sinne kennenlernt

28 Jun, 2021

Förderung der Wahrnehmung – wie man seine Sinne kennenlernt

Um Dinge zu lernen, sie zu erkennen und zu begreifen, brauchen wir unsere Sinne. Die Montessori-Pädagogik bedient sich nicht nur des (Zu-)Hörens und Sehens, sondern der Wahrnehmung in ihrer maximal möglichen Vielfalt, die in den ersten Kindheitsjahren auf allen Ebenen spielerisch geschult wird.

Ina hat in den letzten Tagen so viel gelesen – es war eine richtige Bücherphase! Aber heute hat sie Lust auf anderes Material. Zu Beginn der Freiarbeit geht sie langsam am Regal entlang und sucht sich schließlich die Gewichtsbrettchen aus. Sie kennt sie von einer Lektion, allerdings hat sie noch nicht selbst damit gearbeitet. Nachdem sie einen Teppich ausgebreitet hat, stellt Ina das Kästchen darauf, dem sie die kleinen Tafeln aus Holz entnimmt. Sie mischt sie durcheinander und schließt dann die Augen. Nacheinander wiegt sie mit Bedacht die Täfelchen in einer Hand. Dann vergleicht sie mit beiden Händen und sortiert die Holzbrettchen von leicht nach schwer.

Heute hat Ina sich dazu entschlossen, ihren Sehsinn ganz auszuschließen. Sie schult ihren barischen Sinn, den für Gewichte. Er zählt zu den Tastsinnen in der klassischen Bedeutung, so wie der Temperatursinn, das Erfahren von Dimensionen und jenes von Formen und Figuren. In diese vier Sinne werden im Montessori-System die KINETISCHEN SINNE unterteilt, weil sie einen extrem hohen Stellenwert einnehmen.

Beim Arbeiten mit Montessori-Materialien zu Formen, Figuren und Dimensionen (zum Beispiel dem beliebten Rosa Turm) spielt auch das SEHEN eine große Rolle. Jenes wird außerdem mit eigenen Arbeitsmaterialien geschult, beispielsweise den Farbtafeln. Auch fürs HÖREN, RIECHEN und SCHMECKEN gibt es Materialien: Geräuschdosen, Geruchsfläschchen und Geschmacksgläser.

 

Die ganze Wahrnehmungswelt des Kindes beschränkt sich dann mit einem Male auf diesen einen hell erleuchteten Bezirk. Nicht nur, dass das Kind jetzt das lebhafte Bedürfnis empfindet, sich in bestimmte Situationen zu versetzen und bestimmte Dinge um sich zu haben; es entwickelt auch eine besondere, ja einzigartige Fähigkeit, diese Elemente seinem seelischen Wachstum dienstbar zu machen.

Maria Montessori

 

Die Entfaltung der Sinne von klein auf ist Maria Montessori immens wichtig und nimmt eine zentrale Rolle beim Lernen ein. Es werden Übungen dazu angeboten, die eine isolierte Beschäftigung mit einer Form der Wahrnehmung ermöglichen. Welche Sinne was erfahren können, wird durch das Hantieren erlebt und dann auf eine abstrakte Ebene gebracht. Hierbei sieht Montessori das Material wieder als „Schlüssel zur Welt“. Nicht nur beim Kleinkind, sondern auch noch beim Schulkind wird zur geschärften Wahrnehmung aufgefordert, allein schon durch die ästhetischen Lerngegenstände und die ordentlich vorbereitete Umgebung.

Das Fördern der Wahrnehmung hilft den Kindern, Genauigkeit zu entwickeln und zu differenzieren, und das auf allen Gebieten der Sinneswahrnehmung. Immer geht es dabei vom Simplen zum Komplexen, einem bewährten Lernprinzip.

Zum Schluss ein kleiner Exkurs in die Erwachsenenwelt: Nachdem einige Jahre lang eine Vernachlässigung vieler Sinne im kopfgesteuerten Alltagsleben spürbar war, wenden sich die Menschen in ihrer Freizeit heute wieder Trends wie Kochen, DIY (do it yourself – Basteleien und Handwerken) oder Wandern und Camping zu. Der Grund: das ganze Spektrum unserer Wahrnehmung wieder mehr zu bedienen. Unsere Sinne fehlen uns, wir wollen wieder mehr unmittelbar erleben! Einmal mehr hat sich die Weitsicht der Maria Montessori gezeigt.

Bildnachweis: Shutterstock/Joaquin Corbalan P                                                   Autorin: Veronika Weiss

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